Martin Braitsch und Jürgen Müller aus Aulendorf laufen zwei Tage auf dem Iller-Radweg
Auszug aus Schwäbische Zeitung, Dienstag 23. Juni 2009
AULENDORF/OBERSTDORF/ULM (sz) – Zwei Aulendorfer sind 140 Kilometer des Iller-Radweges an zwei Tagen gelaufen. Damit pflegten Jürgen Müller und Martin Braitsch wieder eines ihrer liebsten Hobbys: das Laufen.
Wenn man schon einige Jahre seine Freude an seinem Hobby, dem Laufen, hat und sich dann eine Krankheit ein- stellt, die das eigene Leben infrage stellt, wird man wohl zunächst andere Prioritäten setzen. Ähnlich erging es dem Aulendorfer Martin Braitsch, Va- ter von drei Kindern. Nachdem seine Krebserkrankung mit zweifacher Che- motherapie erfolgreich behandelt werden konnte und er bei einem an- schließenden Kuraufenthalt im Allgäu Ende 2008 den Iller-Ursprung nahe Oberstdorf besuchte, reifte bei dem passionierten Läufer eine Idee.
An dieser Stelle, an der sich die Flüsschen Breitach, Stillach und Tret- tach zur Iller vereinen, beginnt der Iller- Radweg, der mehr als 140 Kilometer lang ist, bis die Iller bei Ulm in die Do- nau mündet. Eine landschaftlich reiz- volle Strecke, die zudem durch die Nähe zur Iller und den Radweg hervor- ragend gekennzeichnet ist – und zwar mit den entsprechenden Entfernungs- angaben alle 200 Meter bis zur Mün- dung bei Ulm.
Vielleicht hat man ja nach Bezwin- gung einer derart bedrohlichen Er- krankung eine andere Sichtweise für manche Dinge, einen Überschuss an neuer Lebensenergie, schätzt das Le- ben anders als zuvor. Jedenfalls war das Vorhaben definiert: Diesen Rad- weg zu Fuß zu absolvieren, war das Ziel – in zwei Etappen. Wenn man weiß, dass Martin Braitsch schon ein- mal die etwa 95 Kilometer von Tübin- gen nach Aulendorf in reichlich zehn Stunden allein gelaufen ist, sind wohl jegliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieses Vorhabens fehl am Platz…
Da es nicht so viel Spaß macht, so etwas allein anzugehen, fand er in dem Aulendorfer Jürgen Müller einen interessierten Lauffreund, mit dem er in den vergangenen Jahren schon so einige Trainingskilometer gemeinsam absolviert hatte. Jürgen Müller jedoch hatte noch keine Erfahrung mit Ultra- läufen, also Läufen, deren Länge sich auf mehr als die traditionelle Mara- thonstrecke von 42,195 Kilometern erstreckt.
Also stand am Anfang eine sehr ausgiebige Vorbereitung auf dem Pro- gramm: Fast drei Monate trainierten beide für ihr Vorhaben. Selbst Läufe jenseits der Marathonstrecke wurden an den Wochenenden absolviert, un- ter anderem 125 Runden oder 50 Kilometer im Stadion. An der Ernsthaftigkeit des geplanten Vorha

habens konnte man keinerlei Zweifel hegen.
Am Freitag, 12. Juni, war es so weit: Mit zwei Autos fuhren die Män- ner los und deponierten alle zehn Kilo- meter entlang der Strecke Verpfle- gungsbeutel. Ein Auto deponierten die beiden in Ulm, das zweite auf hal- ber Laufstrecke an der Pension für die Übernachtung am Folgetag in Lau- trach/Illerbeuren. Dort zogen sie sich die Laufsachen für den nächsten Tag an und fuhren mit dem Zug nach Oberstdorf.
Erster Tag: Samstag, 13. Juni, Oberstdorf – Lautrach (80 Kilometer): Beide starteten um 7.30 Uhr. Verein- bart war, dass jeder sein eigenes Tempo läuft. Die Daten auf der Sport- uhr wiesen am ersten Tag 1585 Meter An- und 1773 Meter Abstiege aus, also fast 200 Meter Anstieg pro zehn Kilo- meter. Braitsch erreichte nach 7,31 Stunden das erste Etappenziel bei Kilo- meter 80 auf dem überwiegend nicht asphaltierten Radweg. Müller benö- tigte 8,59 Stunden. Am Abend waren die Beine schwer und wurden mit Muskelfluid eingerieben.
Die Beine sind schwer
Zweiter Tag: Sonntag, 14. Juni, Ai- trach – Ulm (60 Kilometer): Start war um 7.30 Uhr. Natürlich waren die Beine noch immer schwer. Auch be- züglich der Höhenmeter (1300 Meter An- und 1500 Meter Abstieg) war das zweite Teilstück mit über 200 Metern Anstieg pro zehn Kilometer nicht fla- cher. Dazu erschwerten schwüles Wetter, Sonnenschein und Tempera- turen bis 28 Grad den Lauf. Das Kühlen von Kopf und Händen in der Iller half. Gut funktionierte das Auffinden der Verpflegungsbeutel. Nur einmal war dieser verschwunden. Beide erreich- ten ihr Ziel: Braitsch benötigte 5,37 Stunden bis Ulm (gesamt 13,08 Stun- den), und Müller kam nach 6,58 Stun- den (gesamt 15,57 Stunden) an der Mündungsstelle bei Kilometermarke 0,0 an. Dort ist eine weitere Entfer- nungstafel angebracht, die die Zahl 2588,0 trägt – die Entfernung in Kilo- metern vom Mündungspunkt der Iller in die Donau bis zur Mündung der Donau ins Schwarze Meer. Man könnte auch in Donaueschingen (2850 Kilo- meter) oder in Furtwangen (2888 Kilo- meter) starten, um den Flusslauf abzu- laufen. Darauf angesprochen, ob man das nicht auch in Angriff nehmen könnte, wollte Jürgen Müller nichts wissen. Verständlich, zumal er erst seinen ersten – genauer: seine ersten beiden Ultraläufe – absolviert hatte und diese erst verdauen muss.